Berg oder Kind: eine Biografie von Edurne Pasaban

Es war 2012, auf dem International Mountain Summit (IMS) in Brixen, als ich Edurne Pasaban auf einer Wanderung kennenlernte. Die baskische Profibergsteigerin gilt als die erste Frau, die 2010 alle 14 Achttausender komplettiert hat. Im Gespräch fragte mich diese Frau, die man schon sehr bewundern darf, ob ich auch viel in den Bergen unterwegs sei. Und schon fing ich mal wieder das Lamentieren an: Früher sehr viel, aber jetzt mit Kindern ist’s ja so schwierig geworden, und so weiter und so fort. Sie schaute mich scheinbar belustigt von der Seite an – vermutlich ob meiner Luxusprobleme – und sagte nur knapp: „Ich hätte gern Kinder gehabt.“

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Mit Edurne Pasaban auf dem IMS Walk 2012

Ich habe damals nicht nachgehakt. Ich war nicht als Journalistin und obendrein im Tross von weiteren 20 oder 30 Wanderern unterwegs. Bei diesem Thema denkt man schnell, man trete einer Frau zu nahe. Was ich vielleicht erfahren hätte, wenn ich beim Thema geblieben wäre, erfuhr ich beim Lesen der jetzt im AS Verlag erschienen Biografie von Edurne Pasaban, geschrieben von Franziska Horn.

Die viel zitierte Wahl zwischen Beruf und Familie erreicht hier ganz neue Dimensionen. Vereinbarkeit von beidem? Nahezu unmöglich! Will eine Frau auf den Gipfeln der Welt ihr Geld verdienen, wird sie sich meistens gegen Kinder entscheiden (Es gibt Ausnahmen wie Ines Papert). Diese Entscheidung ist nicht für jede Frau einfach, und für Edurne Pasaban war es gar ein Kampf mit sich selbst, den sie fast verloren hätte. Nach ihrem achten Achttausender 2005 stürzte sie in eine tiefe Depression und versuchte, sich das Leben zu nehmen.

Das größte Opfer

Das spannendste an dieser Biografie ist für mich denn auch, Edurnes Suche nach ihrem eigenen Weg nachzuvollziehen. Wie sie es schaffte, sich den scheinbar allgegenwärtigen Erwartungshaltungen ihres Umfelds zu widersetzen – bis zum 14. Achttausender. Keine Familie zu haben war für sie „das größte Opfer, das ich bringen musste.“ Und weiter: „Wenn die Schulfreundinnen längst verheiratet sind und jede schon zwei, drei Kinder hat, dann ist es nicht immer leicht, der eigenen Richtung treu zu bleiben.“

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Schon komisch: Es wird nie kritisch hinterfragt, wenn männliche Profibergsportler ihre Kinder daheim lassen, wenn sie zu extremen Unternehmungen aufbrechen. Bei Frauen indes hat es mehr als ein Geschmäckle, ein Gefühl der Verantwortungslosigkeit. Eine Mutter als Extrembergsteigerin? Das überschreitet schnell die Grenzen des guten Geschmacks und des gesellschaftlich Vertretbaren. „Das ist der eigentliche Skandal“, sagt Edurne.
Auch wenn Edurne am Ende ihren Weg gefunden hat, das „diffuse Schuldbewusstsein“ holt sie immer wieder ein. Das macht sie so menschlich. Es zeigt, diese Bergsteigerin ist keine Über-Frau, und die Biografie ist auch kein Heldenepos. Im Gegenteil, manche Gipfelerfolge geraten zu Nebenschauplätzen, die Achttausender der Bergsteigerin rücken zeitweise in den Hintergrund, um der Psyche dieser Frau Platz einzuräumen. An wenigen Stellen bleibt die Biografie dennoch oder gerade deswegen an der Oberfläche, vieles stammt aus Edurnes Autobiografie oder wird im Frage-Antwort-Spiel abgearbeitet, was dann leider keinen Raum für weitere Reflexionen zulässt. Insgesamt aber ein berührendes Buch darüber, wie viel Kraft es manchmal kostet, seine Passion zu leben.
 
Franziska Horn, „Im Schatten der Achttausender – Das zweite Leben der Edurne Pasaban„, AS Verlag, Zürich, 238 Seiten, 45 Abb., 32,90 Euro, ISBN: 978-3-906055-28-2 
 

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