Hilfe, mein Kind will nicht mehr wandern!

Hand aufs Herz: Die wenigsten Kinder sind dauerhaft begeistert vom Wandern mit ihren Eltern. Und ich meine damit nicht, dass mit der Pubertät sowieso die Zeit beginnt, wenn jede Aktivität mit den Eltern irgendwie peinlich ist. Schon viel früher begegnen wir Bergenthusiasten dem Phänomen, dass unsere Kinder den sorgsam ausgewählten super Tourenvorschlag mit einem Maulen quittieren.

Wandern mit Kind

Mehr Wanderspaß zu zweit

 

Schon wieder wandern!

Es war am zweiten Tag unseres Karwendel-Urlaubs als ich diese Klage von meiner Kleinen zu hören bekam. Das passiert nämlich auch schon im Alter von vier, wie bei uns. Ausgerechnet mein Mädchen, das immer Freude am gemeinsamen Wandern zu haben schien, seit sie drei war und die Kraxe dem kleinen Bruder überlassen musste. Natürlich musste sie immer irgendwann unterwegs zum Weitergehen motiviert werden – nicht umsonst habe ich ein Tourenbuch für Kinder entworfen. Und am Ende landete sie häufig auf meinen Schultern. Aber dass sie gar nicht erst losgehen wollte, das war neu.

Vermutlich sind es die kleinen Mädchen, die sich am ehesten ein Alternativprogramm wünschen. Vielleicht, weil sie Insektenfangen und Durchs-Unterholz-Kraxeln weniger spannend finden als Jungs es tun. Vielleicht auch, weil sie nicht ganz so viel Bewegungsbedarf haben und ihnen schneller die Puste ausgeht.

Wandern mit Kind

Wald statt Spielplatz

Warum auch immer, ich – schon ein bisschen besorgt um unsere zukünftige gemeinsame Freizeitgestaltung – fragte jedenfalls meine Tochter, ob sie denn gar keine Freude mehr am Wandern mit uns hätte. Ein gequältes „Doch schon.“ Und dann ein „Aber nur mit Freunden!“ bekam ich zu hören. Wandern ist also nur noch cool, wenn Freunde mitkommen. Die sind aber auch nicht immer zur Stelle. Ich gehe gern mit Freunden in die Berge, will mich davon aber nicht abhängig machen.

Vorsichtig heranführen oder verdonnern?

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir sind bei weitem nicht jedes Wochenende auf Tour – gibt es doch noch andere Lebensinhalte. Am Zuviel kann’s also nicht liegen. Die eine oder andere Tour war aber am Ende wohl zu lang. Was also tun. Ich beschloss, das Ganze ernst zu nehmen. Wenn ich es ignorierte, würde ich ihr die Freude an den Bergen nehmen, noch bevor sie sie wirklich entdecken konnte. Denn eines ist mir wichtig: Ich möchte meine Kinder an die Berge heranführen. Argumente wie „Jeder, der als Kind wandern musste, hat es gehasst“, lasse ich nicht gelten. Um es mögen zu können, muss sie es kennenlernen.

Wandern mit Kind

Und dann macht es doch wieder Spaß, oder?

Auch meine Eltern kamen mit mir immer mal wieder an den Punkt, mich zum Wandern verdonnern zu müssen, soweit ich mich erinnere. Ich habe danach zwar sehr lange andere Interessen verfolgt. Gehasst habe ich es aber nicht. Im Gegenteil: Ohne die Erfahrungen als Kind mit meiner Familie in den Bergen und der Natur, wäre ich später gar nicht auf die Idee gekommen, wieder in die Berge zu gehen, sogar Mitglied im Alpenverein zu werden.

Lieber allein?

Natürlich kann ich sagen: „Ok, dann gehe ich eben allein.“ Das hat den Vorteil, anspruchsvollere Touren unternehmen zu können, und das mache ich auch hin und wieder. Aber hier geht es ja nicht um mich oder darum, Bergerlebnisse der Superlative zu erfahren. Sondern es geht um eine sinnvolle, erholsame und spannende Freizeitgestaltung als Familie. Ich glaube, dass es gut für Kinder ist, gemeinsam Natur zu erleben und sich im Freien zu bewegen.
Wandern mit Kind

Mit Kinderaugen wandern

Für mich war es deshalb die Entdeckung schlechthin, wieder mit Kinderaugen durch die Berge zu gehen. Das ist nicht nur lustig, sondern auch notwendig, wenn ich meinem Kind Freude an der Natur und am Wandern vermitteln möchte. Denn wenn ich nicht fähig bin, einen schönen Stein, ein großes Blatt, Pusteblumen oder Steinchen-in-den-Bach-Werfen spannend zu finden, und wenn ich mir für diesen Kinderkram keine Zeit nehmen möchte, dann wird eine Fünf-Kilometer-Tour über zwei Stunden und länger natürlich ganz schön fad.

Dass die Kids jedesmal mit Luftsprüngen reagieren, wenn man ihnen die nächste Wanderung vorschlägt, ist also nicht zu erwarten. Soll ich deswegen aber klein beigeben? Ich glaube, das wär falsch. Denn wenn ich erst einmal anfange, unsere Unternehmungen nach den Wünschen der Kinder auszurichten, dann verbringe meine Wochenenden auf dem Spielplatz. Oder schlimmer: im Indoor-Spielplatz.
Wandern mit KindWandern mit Kind

Alternativprogramm

Lange Rede kurzer Sinn: Wir sind dann erst einmal zurückgerudert. Zur Abwechslung haben wir die eine oder andere Fahrradtour unternommen, mit Anhänger und Kindertandem. Oder wir sind einfach nur mal Gondel gefahren und auf kurzem Weg zur nächsten Alm spaziert. Seitdem weiß meine Tochter, was eine Spritztour ist. Aber mittlerweile dauert mir die Wanderabstinenz doch zu lang und gerade als ich vor ein paar Tagen über diesen Sätzen hier brütete, überraschte mich Helene mit den Worten: „Mama, ich mag mal wieder wandern.“ Und als ich sie freudig überrascht anblickte, fügte sie hinzu: „Aber nur eine Spritztour.“