„Mama, wann kommt der Winter?“
„Es ist schon Winter, Schatz.“
„Gar nicht wahr. Im Winter liegt doch Schnee.“
„Bei uns leider nicht, Schatz.“
„Mama, können wir den Winter besuchen?“
Ein kleiner Wunsch eines kleinen Jungen – aber eine große Herausforderung für mich, in diesem Winter. Dabei ist es doch so selbstverständlich: Jedes, aber auch wirklich jedes deutschsprachige Kinderbuch präsentiert den Kleinen den Winter mit dicken Schneeflocken und einer Traumlandschaft in Weiß. Ob Mondbär, Rabe Socke, Petterson & Findus oder der kleine Maulwurf – kein Buch stellt sich der traurigen Wahrheit: Weiße Winter unterhalb der 1000-Meter-Barriere bekommen Seltenheitswert.
Stattdessen steigen wir bei 15 Grad Celsius, Sonnenschein und mit Frühlingsgefühlen am Weihnachtsfeiertag auf den Berg, nehmen ein Sonnenbad auf der Berghütte bei windgeschützen 20 Grad oder waten bei 5 Grad Celsius bei Regen durch den Matsch, während uns die Bergsportmagazine mit traumhaften Skitourentipps verhöhnen und hartnäckig gutgemeinte Rodeltipps für Kids die Runde machen. Die tollen neuen Tourenski, Kinder-Schneeschuhe und der Super-Rodel fristen indes ihr Dasein in der Warteschleife.
Warten auf Schnee
Zum Glück kann unsere Familie auf einen Außenposten in den Kitzbüheler Bergen auf 1200 Metern Höhe zurückgreifen. Schnee kam zwar auch hier spät, aber wir haben es einfach ausgesessen – und gewartet. Am Sylvestermorgen nahm ich noch ein sonniges Gipfelfrühstück auf dem Feldalphorn (1930 m). Irgendwann musste es hier oben schon einmal geschneit haben. Vereiste Altschneereste säumten den Weg ab einer gewissen Höhe und Schattenlage.
Die Kinder vertrieben sich das Warten am Lagerfeuer, anderntags mit mir in der Boulderhalle oder – immerhin ein Hauch von Winter – beim Schlittschuhlaufen in der Halle.
Ansonsten begnügten wir uns mit der recht abwechslungsreichen Aussicht: Wolken und Sonne malten immer wieder neue fotogene Landschaftsbilder in die gleiche Aussicht. „Mama, dein Berg ist weg“, hieß es immer wenn die Wolken und der Nebel die Sicht versperrten. Oder eben: „Mama, dein Berg ist wieder da!“ Ein Kommen und Gehen …
Und dann, eines Morgens, war alles weiß.
Ihr wollt mal wieder sehen, wie grenzenlose Freude aussieht? Schaut in die Gesichter kleiner Kinder, wenn sie nach langer Zeit unverhofft Schnee vor der Haustür finden! Lieblings-Lego, Spielzeug-Autos und Mamas heiß umkämpftes Smartphone mit den Spiele-Apps – alles end-langweilig gegen einen frisch beschneiten Rodelhang, den ersten der Saison! Hunger, Pipi, kalt? Alles unwichtig gegen die kleinen Engel, die entstehen, wenn man sich in den Schnee wirft und mit Armen und Beinen rudert. Und Mama kann endlich in Ruhe selbst mit ihrem Smartphone spielen, zum Beispiel Fotos machen, von glücklichen Kindern, die mal wieder gerne draußen sind.
Schade, dass die Bilderbuch-Winter immer seltener werden.
Noch mehr Bilder?
Noch mehr lesen?
Noch mehr „Einfach so“-Gedanken: „Hilfe, mein Kind will nicht mehr wandern!“
Rodel-Tipp für die Kitzbüheler Alpen: Das Rodel-ABC der Kelchsau