Es gibt ja das Phänomen, dass man Klassiker nicht mehr wandert, weil sie Klassiker sind. So wie man Gassenhauer in der Musik nicht mehr anhört. Nicht weil sie nicht an sich schön wären, sondern, weil sie halt Gassenhauer sind. Geht mir jedenfalls so: Das machen doch alle. Das kenne ich schon. Hatte ich schon. Der Riederstein mit seiner eindrücklichen Kapelle auf dem Felsgipfel hoch über dem Tegernsee und der gleichnamige Berggasthof am „Galaun“ zu seinen Füßen sind solche Gassenhauer, oberbayerische Gassenhauer. Und ich war dort auch schon, vor vielen Jahren. Nur lohnt es sich, Altbekanntes einfach noch einmal zu sehen, zu hören, zu lesen, zu was auch immer, weil man es einige Zeit später und unter anderen Umständen wieder ganz anders erlebt. Den Riederstein bin ich jetzt zum ersten Mal mit Kindern gewandert und habe die Tour als Familienwanderung ganz neu wahrgenommen.
Seit ich mit Kindern wandere, habe ich mir angewöhnt, mit Kinderaugen durch die Berge zu gehen. Und dabei habe ich festgestellt, dass die Wanderung zum Riederstein für Kinder sehr schön ist. Das liegt zunächst einmal am schönen Waldpfad, der bei unserer Variante nicht zu steil, über diverse Wurzelpassagen und im Herbst durch viel Laub vom Pfliegelhof am oberen Ortsrand von Tegernsee zum „Galaun“ hinaufführt. „Unsere Variante“ heißt: Wir sind mit den Kindern nicht übers Pfliegeleck gewandert, sondern sind nach der ersten Gabelung hinterm Pfliegelhof (links) beim nächsten Abzweig weiter geradeaus gegangen.
Nach etwa einer Stunde (220 Höhenmeter) Wanderung mit den Kindern mündet der Steig in einen breiten flachen Forstweg mit ersten schönen Ausblicken auf den See. Den Forstweg durften wir aber zum Glück bald wieder verlassen. In einer Kehre zweigt der Wanderweg rechts ab und mündet kurz darauf in eine Lichtung – den so genannten Galaun. Hier herrschte schon etlicher Trubel vorm Gasthof. Der Galaun machte seinem Ruf als Gassenhauer alle Ehre. Kinder spielten Fußball (ein Tor ersetzt hier den üblichen Kinderspielplatz), die Erwachsenen genossen die Wintersonne und den Ausblick ins Tal. Und obwohl wir im Wald gerade noch über komplett beraureifte, weiße Wege gewandert sind, wärmt die Sonne hier kräftig.
Und von oben grüßt die Kapelle vom Riederstein. Sehr verlockend. Ich kann meine Große dazu überreden, das Stück noch bis hinauf zu wandern. Obwohl die Kapelle auf dem Felsvorsprung von unten betrachtet nicht so aussieht, als könne man sie einfach erwandern. Geht aber, und zwar über einen Kreuzweg und über angeblich 500 Stufen. Wir haben sie nicht gezählt. Aber so ein Kreuzweg ist schon praktisch, weil er mit dem Leidensweg Christi eine Geschichte erzählt, die meine Tochter von einem Taferl zum nächsten lockt. Und jedes Taferl bietet einen neuen Anlass zum Geschichten erzählen. Dann passieren wir auch noch eine kleine verwunschene Felsgrotte mit einer Marienstatue am Fels und stehen ruckzuck auf diesem imposanten Felsvorsprung.
Es ist ein sagenumwobener Ort. Eine alte Weise erzählt zum Beispiel, hier oben habe einst ein Jäger mit einem Bären gekämpft bis beide zusammen den Fels hinabstürzten. Der Jäger aber fiel weich, nämlich auf den Bären, weswegen er überlebte – im Gegensatz zum Bären. Aus Dankbarkeit ließ der Jäger die Kapelle erbauen. Schöne Geschichte, und Kinder verinnerlichen soetwas sehr gerne. Wie sehr diese Geschichten Kinder faszinieren und beim Wandern antreiben, hatte ich schon auf unserer Wanderung durch die Kundler Klamm erlebt.
Ein Blick von hier oben ins Weissachtal, auf die umliegenden Berge, auf den Tegernsee, von dem der Nebel aufzieht, und natürlich in die Kapelle, und schon ging’s wieder hinunter, optionalerweise auch auf einem kleinen Umweg, falls man die Stufen nicht mag. Wirklich beschaulich geht es zwar im Gasthof nicht zu, aber den Kindern ist’s egal und uns entschädigt die Sonne.
Doch je höher der Nebel vom Tal steigt, desto kühler wird es und so nehmen wir den etwas matschigen und steilen Weg hinab zum Tegernseer Höhenweg und auf diesem zurück zum Parkplatz. Insgesamt eine ordentliche Runde für unseren Fünfjährigen, der sich aber von seinen neuen zehnjährigen Freunden erfolgreich animieren ließ. Highlight auf dem Rückweg war Manuel Neuers Neubau, den man dort passiert. Und wer Manuel Neuer ist, das weiß auch unser Mädchen. „Mama, das ist doch dein Lieblings-Fußballer!“ Jetzt wisst Ihr’s.
So ist das halt mit Gassenhauern: Erst wenn man zufällig wieder drauf gestoßen wird, merkt man, wie gut er eigentlich war. Und der Riederstein hat alles, was ein Gassenhauer braucht.
Tourverlauf Riederstein
Gut zu wissen
Der „Galaun“ ist ganzjährig geöffnet und auch im Winter ein beliebtes Ausflugsziel. Auch zwei Ferienwohnungen beherbergt der Gasthof.
Kontakt Tel: 08022-273022, Dienstags Ruhetag, www.berggasthaus-riederstein-am-galaun.de
Anfahrt
Von München auf der A 8 München – Salzburg bis Ausfahrt Holzkirchen, weiter über die B 307 nach Tegernsee. In Tegernsee bis zur Brauerei und dort gegenüber in die Bahnhofstraße links hinauf, die zweite rechts und über die KLeinbergstraße zum Sonnleitenweg.. Der Parkplatz befindet sich links kurz vorm Pfliegelhof.
Wie hoch? ca. 420 Hm inkl. den Gegenanstieg auf dem Rückweg
Wie weit? ca. 7 km
Wie lang? ca. 3,5 h reine Gehzeit
Dieser Artikel ist Teil des #OutdoorAdvent 2016. Jeden Tag öffnet ein anderer Outdoor Blogger ein Türchen für euch und erzählt Geschichten von draußen.
Hinter dem gestrigen gab Jens vom Hiking-Blog Tipps, wie Du Dich in der Stadt für die Berge fitmachen und halten kannst. Und morgen ist Mehr-Berge dran. Eine Zusammenfassung aller Türchen findest du hier unter www.aufundab.eu.
Eine schöne Wanderung. Danke für das tolle Türchen und dafür, dass ihr uns virtuell mitgenommen habt!
Danke Dennis! Ja, der Dezember wird immer mehr zum Wandermonat, wer hätte das noch vor ein paar Jahren gedacht. Mir soll’s recht sein. Liebe Grüße
Ute
Schöne Bilder, schöne Wanderung. So macht der #outdooradvent richtig Spaß!
Danke für den schönen Beitrag!
Liebe Grüße,
Charis
Dankeschön Charis! War nur leider ein unglückliches Datum, das auf meinem Türchen stand. Wünsche Dir ruhige Feiertage! Lieben Gruß, Ute