Norwegen ohne Fjord-Schifffahrt ist wie Paris ohne Eiffelturm. Und ohne dort einmal einen der Gletscher aus der Nähe gesehen zu haben, ist wie vorm Eiffelturm stehen zu bleiben und nicht hinaufzusteigen. Einmal auf einem Gletscher zu stehen, war für meine Kinder die große Erwartung an diesen Urlaub.
Nördlich vom Sognefjord beginnen die Ausläufer des Jostedalbreen. Er ist der größte europäische Festlandgletscher und wie der Fjord diverse Seitenarme, so hat der Gletscher mehrere Auslassgletscher. Der Nigardsbreen ist einer von ihnen und außerdem der einzige, der wirklich leicht zu erreichen ist. Sogar für Kinder ist er – mit Bergführer – begehbar. Eine Hochtour war sicher nicht zu erwarten. Es sollte ein Spaziergang über den Gletscher werden, nicht mehr und nicht weniger.
Der Tag startete allerdings im Kreis. Dem kleinen Motorboot, das uns vom Parkplatz über den Gletschersee bis zum Gletscherzustieg bringen sollte, war das Ruder verklemmt. Kaum hatten wir abgelegt, ging es nur noch rechts herum im Kreis und wir trieben einsam immer weiter auf den See, auf dem die Eisstücke um uns herum schwammen. Mir wurde zugegebenermaßen etwas mulmig zumute. Aber ich behielt vor den Kids (scheinbar) beste Laune, um sie nicht auch noch zu verunsichern. Wir konnten dann endlich auf ein anderes Boot wechseln und stiegen eine knappe Stunde zur Gletscherzunge hinauf.
Allein der Zustieg über die vom Eis glattgelutschten Felsen, war für die Kinder ein neues Erlebnis. Immer wieder mussten wir von Stein zu Stein, über Rinnsale hüpfen und eine Hängebrücke passieren. Oben angelangt, warteten Sherpas auf uns, die uns die Steigeisen anpassten. Juniors Füße waren zu klein dafür. Er bekam eine Art Mini-Grödel.
Der Nigardsbreen ist allerdings kein Ort der Einsamkeit. Hier sammeln sich etliche Touristen ohne Eiserfahrung, die einmal einen Gletscher aus der Nähe sehen möchten, und dazu Familien mit Kindern. Sie alle bekommen Steigeisen angeschnürt und werden miteinander angeseilt. Nein, nicht mit Gurt und Karabinern. Eine Schlaufe um jeden Bauch hat’s auch getan. Am Ende formten wir eine Seilschaft von 20 mit kurzem Seil aneinandergeknoteten großen und kleinen Touristen. Abenteuerlich.
Über eingeschlagene Stufen und crashed Ice stiegen wir in Kolonne den Gletscher hinauf. Wir passierten tiefe Spalten, die in Fräuleins Lieblingsfarbe schimmerten. Das musste das Reich von Elsa, der Eiskönigin, sein. Schmale Brücken führten über tiefblaues Nichts, Junior klammerte sich fest an die Hand. Das Ganze muss man sich so vorstellen: Während der Vordermann vorwärtszieht, bleibt hinten gelegentlich jemand stehen und zieht von hinten. Das bringt die Kids schon mal aus der Ruhe. Rücksicht auf Vorder-und Hintermann ist dringend geboten.
Am Ende bleibt das Erlebnis der besonderen Art, eine Stunde durch eine ziemlich kalte Welt spaziert zu sein, an Eiswänden vorbei, die die Kinder weit überragen. Zugegeben, in Patagonien habe ich spannendere Gletschertouren unternommen (die es hier in Norwegen natürlich auch gibt). Aber für die Kleinen bleibt der Nigardsbreen unvergesslich. Zurück über die schmirgelglatten Felsen hinunter am See, verlustierten sich die Kinder beim Sammeln von Eisstücken, die im See schwammen. Wann hat man so etwas schon einmal.
Nicht verpassen
Am Breheimcenter, dem Besucherzentrum des Jostedalen Nationalsparks, halten und von der Terrasse einen Blick zurück auf den Nigardsbreen werfen: www.jostedal.com/breheimsenteret
Tourverlauf Nigardsbreen
Gut zu wissen
Geführte Familientouren auf dem Nigardsbreen findet Ihr zum Beispiel hier: Jostedalen Breførarlag AS, Tel.: +47/576/83 111 | post@bfl.no
Der Campingplatz unserer Wahl lag im nahe gelegenen Örtchen Gjerde: Jostedal Camping, www.jostedalcamping.no (etwas feucht und matschig bei Regen, am Fluss)
Nahe des Breheimcenter gibt es einen weiteren Campingplatz mit Hütten, bestimmt etwas trockener: Nigardsbreen Camping, +47 57 68 31 35, a_fossen@yahoo.com
Wie lang? Insgesamt ca. 3 Std. (1 Std. Zustieg, 1,5 Std. über den Gletscher, 0,5 Std. Abstieg) + Wartezeiten
Wie weit? Ca. 5 km
Wie hoch? ca. 200 hm
Guten Morgen :)
Ich war erfreut, als ich las, dass Ihr Euch den Nigadsbreen angeschaut habt, denn da waren meine Partnerin, meine Tochter und ich auch vergangenes Jahr. Meine Tochter ist allerdings erst ein Jahr alt gewesen, sodass ich sie in der Kraxe getragen habe. Irgendwann fing es dann an zu regnen, so dass wir uns entschlossen haben, den Rückweg mit dem kleinen Boot zu absolvieren. Auch war uns die Gletscherwanderung zu heiß, sodass wir uns diesen lieber aus sicherer Entfernung anschauten: https://www.eyeem.com/p/111289213 sowie https://www.eyeem.com/p/111431058
Liebe Grüße aus Berlin
Stephan
Hallo Stephan, schöne Fotos. Wer weiß, ob ich mit Kraxe auf den Gletscher gegangen wäre. Wahrscheinlich auch nicht. Es ist aber nicht gefährlich, nur die Sicherung von 20 Menschen an einem Seil war etwas provisorisch. Für die Kinder – trotz kalter Hände, weil wir keine Handschuhe hatten – war es ein wirklich tolles Erlebnis. Liebe Grüße! Ute
Hallo, ich habe eine Frage. Auch wir möchten mit unseren Kindern in diesem
Jahr nach Norwegen und eine Wanderung über einen Gletscher wäre für die Kids sicherlich ein Erlebnis…
Unsere Kids sind 11, 9 und 6 Jahre alt. Dürfen sie dann alle mit? Ich hab mal gelesen ab 8 Jahren, mal ab 5 Jahren…
Vielleicht kannst du mir weiterhelfen?
Liebe Grüße,
Hannah und Family
Hallo Hannah, mein Sohn war damals sechs Jahre alt. Das sollte also kein Problem sein. Allerdings war das 2018. In der Zeit kann sich vieles geändert haben. Liebe Grüße, Ute